High Fidelity

Altonaer Theater



„High Fidelity“ heißt das Musical, bei dem um Treue in der Liebe, zur Musik und zu sich selbst geht. Es handelt von Rob, dem Plattenladenbesitzer, der an seiner Vinylkollektion für echte Kenner mit ganzem Herzen hängt und dazu eine große emotionale Beziehung aufgebaut hat. Eigentlich ist er umgeben von seiner persönlichen Plattensammlung, denn Kunden gibt es kaum. Rob bedauert selbst die ungünstige Lage seines Ladens „Championship Vinyl“ und fehlende Perspektiven. Mit seinen beiden Freunden Dick und Barry führt er beinahe ein Eremitendasein im eigenen Geschäft, in das sich nur extravagante Leute verirren, die deshalb aber noch lange keine Kunden sind. Dass seine Freundin Laura Rob verlassen hat, erschüttert ihn zutiefst und stellt ihn vor ein großes Problem.
Immerhin tröstet er sich damit, dass sie es in den Club der Top Five seiner gescheiterten Liebesbeziehungen niemals schaffen wird. Aber genau darum kämpft Laura, denn mit einem „Knall in sein Herz“ will sie es dorthin schaffen und erreichen, dass Rob sie am meisten vermisst. Seine langjährige beste Freundin Liz macht ihm noch dazu Vorwürfe und weist ihn darauf hin, dass immer er verlassen wurde und dass er sich ändern solle. Nun kann sich Rob mit nichts mehr trösten und verspürt große Eifersucht, als Laura sich mit einem abgedrehten Ex-Nachbarn einlässt, der sich als Guru betätigt. Als dieser auch noch in dem Plattenladen auftaucht, sieht Rob rot, kann sich gerade noch beherrschen und besinnt sich endlich seiner eigenen Fehler. Er will schon hinschmeißen und wünscht sich nur noch Laura zurück, als diese ihn aufsucht, um ihm noch eine Chance zu geben.

Dem Musical im Altonaer Theater liegt die verfilmte Romanvorlage von Nick Hornby zugrunde. Ins Deutsche übersetzt hat Sabine Ruflair das Musical in der Fassung von David Lindsay-Abaire mit der Musik von Tom Kitt und den ursprünglichen Songtexten von Amanda Green. Das Besondere an den Songs ist, dass sie sich an dem Stil verschiedener Rock- und Popinterpreten orientieren, die ihrerseits dem Musical ansich eine musikalische Koloratur in der Breite geben. Die etwas sentimentale Handlung gibt dem Musical mit den teilweise poppigen Songs eine aufgeladene Stimmung, die das Publikum zwischen Mitfühlen und Mitfiebern schwanken lässt. Herrlich anpackend und persönlich inszeniert ist das Musical von Franz-Joseph Dieken mit betont zurückhaltender Ausstattung. Jörg Kiefel macht nämlich gerade nicht den Fehler, die Bühne zu überladen, was eine optisch erdrückende Wirkung auf den dramaturgischen Handlungsverlauf haben würde. In dem Musical geht es gerade um Emotionen und die Darstellung von Beziehungen, für die viel Raum bleiben muss. Handlungsort ist der Plattenladen, der ein ganz bewusster Gegenentwurf zur Schnelllebigkeit und zum kommerziellen Gebaren des Alltags ist. Das wird im Stück auch auf Anhieb deutlich. Im Laufe der Handlung gewinnen die Figuren und Beziehungen allmählich an Kontur. Das Stück nimmt sich Zeit für die Ausgestaltung der Figuren und ist daher auch vom Ablauf her tempogemäßigt. Es sind kleine Momentaufnahmen, die sich nach und nach zu einer Story fügen. Im ersten Akt ist das musikalische und szenische Opening mit schwungvollen Choreografien des kompletten Ensembles, choreographiert von Sven Niemeyer, sehr gelungen. Zeitweise scheinen die nachfolgenden Sprechpassagen aber ein wenig schwergängig und zu sehr reduziert auf die Gefühlswelt der ein wenig depressiven Hauptfigur Rob. Aber anschließend gewinnt das Stück wieder an Fahrt. Daran hat die stimmgewaltige Sarah Matberg, die Rob singend zurechtweist, ihren Anteil. Aber auch Katharina Vogel beweist als Laura eine schöne Stimme, die aus dem Stück nicht wegzudenken ist. Siegmar Tonk bewältigt die Protagonistenrolle des Rob schauspielerisch wie stimmlich mit großem Engagement. Seine Mitstreiter und fast allgegenwärtigen Dialogpartner Holger Dexne als Barry und Ben Knop als Dick gehen ebenfalls in ihren Rollen auf. Amüsant agiert Tobias Killian in der Rolle des Ian, der Fleisch rigide ablehnt, nicht aber die fleischliche Lust. In dem Stück wohnt vor allem im Gesang der Darsteller unter der musikalischen Leitung von Matthias Kloppe viel Power inne, was auch am Coaching von Ulita Knaus liegen mag. Bei den Gesangseinlagen erlebt das Publikum daher ein wahres Feuerwerk großartiger Stimmen. Es entsteht aber dadurch ein Gefälle zu den demgegenüber teilweise nüchtern wirkenden Dialogen. Hier würde man sich stellenweise ein wenig mehr szenischen Pep wünschen. Insgesamt zeigt das Altonaer Theater wieder einmal, dass es auch im Musical-Genre zuhause ist und beweist mit seinem sehens- und hörenswerten Sommermusical künstlerisch wieder solides Handwerk.